Realitätsnaher Testbetrieb
Wie bereits in einem vorherigen Blogbeitrag erwähnt, stellte uns die Darstellung der realen Lieferketten vor eine große Herausforderung! Unser Blockchain Pilot sollte sich mit einem großen Geschäftspartnernetzwerk und einem möglichst praxisnahen Testbetrieb von den anderen Projekten unterscheiden. Gemeinsam mit den Projektteilnehmern haben wir den bundesweit größten unternehmensübergreifenden Praxistest mit Blockchain realisiert:
Etablierung eines dezentralen Netzwerks bestehend aus 13 externen Knoten bei unterschiedlichen Projektteilnehmern
● 17 Testpartner mit insgesamt 20 Lagerstandorten
● Ausschließlich echte Supply Chain-Beziehungen
● Test mit echter Ware, echten Paletten, echten Mitarbeiter/innen, echten Laderampen, echten Lkws und echte Daten
Testvorbereitung
Alle Industrie- und Handelspartner wurden von uns mit zwei Handgeräte inkl. Zubehör ausgestattet. Ein Handgerät für den Mitarbeiter im Warenausgang bzw. Wareneingang und ein Handgerät für den Fahrer. Im Normalfall sprich bei einer Produktivlösung würden die LKW-Fahrer natürlich die Handgeräte mit sich führen bzw. über ihr Smartphone die App aufrufen. Aus Sicherheitsgründen wurden im Pilotprojekt die Geräte an den jeweiligen Teststandorten der Industrie- und Handelspartner bereitgestellt. Zudem war es wichtig die Geräte zusätzlich mit einer SIM-Karte auszustatten, da einige Unternehmen nicht die Möglichkeit hatten sich mit einem WLAN-Netzwerk zu verbinden. Somit konnten wir gewährleisten, dass jeder der Testteilnehmer die mobile, Blockchain-basierte Anwendung nutzen konnte. Neben dem Equipment standen vor allem die Web-Schulungen zur Mobil App und dem Palettenportal im Fokus. Hierbei wollten wir insbesondere ein interaktives Training sowie eine beidseitige Kommunikation zwischen SAP und den Teilnehmern ermöglichen. Im Anschluss daran wurden sowohl eine Anwenderdokumentation zur internen Mitarbeiterschulung und speziell für die Schulung der Fahrer als auch die Login-Daten an die Praxisteilnehmer verteilt.
Vor der Testdurchführung waren von allen Teilnehmer folgende Punkte zu validieren:
● Mobiles Endgerät vorhanden
● Mobiles Endgerät ist aufgeladen und funktionsbereit
● Mobile Applikation lässt sich starten
● Login funktioniert (pro User im Test)
● QR-Code-Scanner ist funktional / Zugriff auf Kamera erlaubt
● Internetverbindung ist an Teststandort verfügbar / Einwahl ins WLAN-Netzwerk möglich
Testdurchführung: Beschreibung des Tauschprozesses
Der Praxistest fand vom 15.10. – 31.10.2018 statt und erfolgte parallel zum regulären Tagesgeschäft der Unternehmen. Somit wurden alle Daten sowohl auf Papier – dem Palettenschein – als auch über unsere mobile App-Anwendung erfasst. Wie bereits erwähnt lagen am Warenausgang (WA) bzw. Wareneingang (WE) zwei mobile Handgeräte bereit. Durch das Anmelden in der Tausch-App sind automatisch die Stammdaten der einzelnen Tauschpartner hinterlegt sowie ein QR-Code, der alle wesentlichen Informationen des Unternehmens beinhaltet.
Zu Beginn melden sich die Beteiligten in der Tausch-App an. Der Mitarbeiter im WA / WE erstellt einen neuen Palettentausch und identifiziert durch das Scannen des QR-Codes auf dem Gerät vom Fahrer den Tauschpartner. Nun gibt der Mitarbeiter im WA / WE die abgeladenen und beladenen Paletten in die Paletten-App ein. Es besteht die Möglichkeit zusätzlich eine Referenznummer (bspw. Lieferscheinnummer) und ein Anmerkungsgrund bei Differenzen der Palettenmengen anzugeben. Anschließend werden die eingegebenen Informationen an den Fahrer gesendet. Der Fahrer sieht unter den „offenen Transaktionen“ die Tauschanfrage des Tauschpartners und wählt diese aus. Ist der Fahrer mit der Eingabe einverstanden, bestätigt er diese und der Datensatz wird in der Blockchain gespeichert. Tritt der Fall ein, dass der Fahrer nicht mit den Angaben einverstanden ist, hat er die Möglichkeit Änderungen vorzunehmen und sendet eine neue Tauschanfrage an den Tauschpartner. Zur Speicherung auf der Blockchain muss die Änderung wiederum durch den Mitarbeiter im WA / WE bestätigt werden.
Die Mitarbeiter in der Belegabwicklung, d.h. die Mitarbeiter, die tagein tagaus die Palettenscheine abtippen, um die Palettenkonten in Excel oder in einer anderen Software zu führen, haben nun die Möglichkeit im Palettenportal sich alle Tauschtransaktionen anzuschauen. In der Übersicht erscheinen sowohl offene Transaktionen als auch bereits abgeschlossene Transaktionen. In einem weiteren Reiter, namens „Saldo“, bekommen die Mitarbeiter alle Salden je Ladungsträgertyp angezeigt. Bei Auswahl eines Ladungsträgertyps werden alle Tauschpartner aufgelistet und der entsprechende Saldo dieses Typs angezeigt. Neben dem Reiter „Saldo“ gibt es auch eine Übersicht zu möglichen Anfragen bezüglich einer Korrektur oder eines Saldenausgleichs. Hierbei werden „Neue Korrekturanfragen“ und „Neue Saldenausgleiche“ unterschieden und separat aufgelistet.
Erkenntnisse und Ergebnisse:
Neben der grundsätzlichen Erprobung von Blockchain stand zusätzlich die Frage im Mittelpunkt: Kann Blockchain die Zettelwirtschaft im Palettentauschprozess beenden? Die Antwort lautet: Ja. Allerdings unter bestimmten Voraussetzungen.
Die digitale Darstellung des Palettenscheins mittels Blockchain-Anwendung ist grundsätzlich möglich. Das Potenzial den heutigen überholten, umständlichen und ineffizienten Palettentauschprozess zu optimieren und über eine mobile App abzuwickeln hat sich bewährt. Die Anwender bestätigten hinsichtlich der grafischen Benutzeroberfläche eine operativ gute Funktionalität, Nutzerfreundlichkeit und Übersichtlichkeit. Jedoch ist eine Schulung absolut notwendig, um die Mitarbeiter frühzeitig mit dem neuen Prozess vertraut zu machen.
Zu Beginn des Praxistests hat sich der Tauschprozess mit den Fahrern als sehr schwierig erwiesen, da es sich oftmals um osteuropäische Fahrer handelte und diese nicht ausreichend geschult waren. Somit bestand seitens der Fahrer wenig Vertrauen in die Technologie und Unsicherheit bei der Eingabe bzw. Bestätigung in der Mobil App. Die Fahrer sind eine große Schwachstelle und stellen ein sogenanntes Bottleneck dar.
Grundsätzlich beinhaltet die Mobil App alle wesentlichen Funktionen. Doch aus Sicht der Teilnehmer wären zusätzliche Features wünschenswert, wie zum Beispiel: Favoriten von Tauschpartnern hinterlegen, Fotos anhängen, weitere Ladungsträger integrieren etc. – Dies zeigt, die Anwendung schreit nach mehr.
Abschließend kann gesagt werden, dass der größte Mehrwert in der Echtzeitabwicklung der Transaktionen und vor allem in den nachgelagerten Prozessen, die mit den Palettenscheinen verbunden sind, steckt. Die manuelle Eingabe der Palettenscheine, Verwaltung von Palettenkonten sowie die Verbuchungen in ERP-Systemen können entfallen. Zeitgleich entstehen weniger Fehler bei der Dokumentation, da keine handschriftlichen Vermerke mehr entziffert werden müssen. Genau dieses Feedback haben wir auch von den Teilnehmern erhalten: „Der wesentliche Effizienzgewinn liegt insbesondere im Backoffice aufgrund von vereinfachten Kontenabstimmungen und automatisierter Saldenberechnungen.
GS1 Germany
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